Fahrzeugportrait: Yamaha BW's / MBK Booster der ersten Generation (1989 - 1994)



Alle Jubeljahre gelingt es einem Fahrzeughersteller eine Ikone zu kreieren. Fahrzeuge, die ihre Zeit beeinflussen und auch auf spätere Generationen einen besonderen Reiz entfalten. Soweit es sich bei diesen Fahrzeugen im Roller handelt, denkt man beim Begriff Ikone natürlich zuerst an die Vespa, aber auch andere, deutlich modernere Roller haben es geschafft in den Olymp der zeitlosen Klassiker aufzusteigen. Ein solches Fahrzeug ist der Yamaha BW’s, auch bekannt als MBK Booster. Um die von Yamaha intern als CW50 bezeichnete Modellreihe soll es in diesem Fahrzeugportrait gehen, insbesondere um die Modellversion der ersten Generation, die von 1989 bis 1994 gebaut wurde.

Leicht modifiziertes 1992er Modell.
allgemeine technische Daten
Motor: Einzylinder, Zweitaktmotor mit senkrechtem Zylinder
Hersteller: Motori Minarelli, Italien
Type: 4BX
Hubraum: 49ccm
Leistung: 2,0kW bei 5500upm
Vergaser: Teikei 4BX (Hauptdüse 82)
Übersetzungsverhältnis des CVT Getriebes: 0,84 -2,37
Höchstgeschwindigkeit: 50km/h
Sitzplätze: 2
Leergewicht: 77kg
zul. Gesamtgewicht: 268kg
Fliehgewichte: 6,5g 15X12mm
Felgen: 3,5X10
Reifen: 120/90-10 vorne 130/90-10 hinten (Geländebereifung)

Modellgeschichte
Mitte der 1980er Jahre suchte das japanische Militär nach einem neuen Kleinmotorrad, das sich für den Abwurf am Fallschirm eignen und möglichst leicht sein sollte. Yamaha trug zu diesem Auftrag einen frühen Entwurf sowie mehrere Prototypen eines geländegängigen Kleinrollers bei. Tatsächlich entschieden sich die Jieitai für ein aus diesem Prototyp entwickeltes Fahrzeug mit 90ccm Zweitaktmotor und stufenlosem Automatikgetriebe. Yamaha entwickelte parallel dazu auch eine zivile Baureihe, aus der die im Jahr 1988 auf der Tokyo Motor Show vorgestellte Baureihe CW50 hervorging.

Was gezeigt wurde war ein, für die damalige Zeit hoch moderner, Automatikroller mit robustem Stahlrohrrahmen, Ballonbereifung und einer knappen Karosserie. Ein leichtes Fahrzeug, das sich sowohl für den innerstädtischen Alltagsverkehr als auch für unbefestigtes Gelände im Hinterland eignete. Was 1988 noch niemand ahnen konnte: Die Baureihe sollte, in schier unübersehbaren Varianten, bis ins nächste Jahrtausend produziert werden. Den Ingenieuren in Iwata war der ganz große Wurf gelungen, sie hatten ein Kultfahrzeug, einen Millionenseller erfunden.

Der CW50 der ersten Generation kam in Japan 1989 auf den Markt, in Europa folgte er ein Jahr später in doppelter Form. Sowohl als Yamaha BW’s als auch als MBK Booster. Diese ersten Modelle lehnten sich noch stark an Geländemotorräder an. Sie waren spartanisch ausgestattet, verfügten nur über das absolute Minimum an Ausstattung sowie über zwei seilzugbetätigte Trommelbremsen. Erst das sehr milde Facelift zum BW’s R / Booster R im April 1994 brachte eine Scheibenbremse am Vorderrad. Im Frühjahr 1995 folgte dann ein komplett neues Modell, der BW’s NG (NG für Next Generation), ein deutlich modernerer, aber auch weniger konsequent auf den Einsatz im Gelände ausgerichteter Scooter mit Helmfach, echtem Doppelscheinwerfer mit Fernlicht und einem wesentlich verbesserten Cockpit.
Doch das Urmodell war deshalb noch lange nicht gestorben, es wurde parallel weiter gebaut und ab 1996 als BW’s bzw. Booster Original bezeichnet. Während der BW’s NG im Laufe der Jahre immer moderner und zu diversen sportlichen Sondermodellen wie dem Spy weiterentwickelt wurde, blieb beim Original alles unverändert. Änderungen waren, wenn überhaupt, minimaler Natur und insbesondere in Frankreich erfreute sich der Booster stets wachsender Beliebtheit. Vor allem bei der Jugend, die das leichte, günstige und vor allem einfach zu frisierende Fahrzeug schätzt. Erst das Jahr 2001 brachte dann eine nennenswerte Änderung. 12 Zoll Räder mit Straßenbereifung ersetzten die bisherigen Zehnzöller mit grobem Geländeprofil. 2003 folgte ein Sondermodell namens Naked mit unverkleidetem Lenker und 2004 das erste, wirklich grundlegende, Facelift des Urmodells. Breitere Reifen und ein wesentlich verbessertes Fahrwerk optimierten die Fahrbarkeit des Rollers, verwässerten jedoch den rauen Charme der Geländegänger der ersten Stunde. 2012 endete die Produktion des Urmodells endgültig, aber die Legende lebt weiter und wird es wohl noch für eine sehr lange Zeit tun. Denn mit dem BW’s hat Yamaha eines jener seltenen Fahrzeuge gebaut, die nicht trotz sondern gerade wegen ihres massenhaften Erfolges schon zu Lebzeiten zum Kultmobil avancierten. Der BW’s oder auch Booster, egal wie man ihn nun nennen mag, reiht sich damit ein zwischen Vespa, Fiat 500, klassischem Mini und Käfer.

Technik
Alle BW’s Modelle der Urgeneration werden von einem 50ccm Minarellimotor mit stehendem Zylinder angetrieben. Diese ältere und heute eher exotische Variante des Motors ist eng mit den bekannteren liegenden Motoren verwandt und teilt sich mit diesen viele Eigenschaften. Es ist ein, nach modernen Konstruktionsprinzipien aufgebauter, umkehrgespülter Zweitaktmotor mit Membraneinlass. Eine Besonderheit ist die Platzierung der Membran in der Zylinderwand. Dies führt auch zur einzigen nennenswerten Konstruktionsschwäche des stehenden Minarellimotors, nämlich dem extrem langen und ungünstig verlaufenden Ansaugkanals. Tuner wissen, dass diese Motoren aus diesem Grund untauglich für Hochdrehzahlsetups sind. Der Antrieb ist eine klassenübliche, stufenlose Automatik nach dem CVT-Prinzip.
Ohne Motorverkleidung ist die ungewöhnliche Position des Membraneinlass gut zu erkennen.
Rahmen und Fahrwerk sind für einen Automatikroller der späten 80er Jahre erstaunlich gut. Der niedrige, breite Rahmen ist ausgesprochen stabil, was dem ursprünglichen Einsatzzweck des Fahrzeugs als geländegängigem Nutzfahrzeug entspricht. Die Gabel ist eine einfache, aber gut funktionierende Telegabel, die Hinterradschwinge wird von einem einzelnen Federbein geführt. Urmodelle rollen auf Ballonreifen der Dimensionen 120/90-10 vorne und 130/90-10 hinten. Ab Werk waren stets grobstollige Geländereifen aufgezogen. Dementsprechend ist das Fahrverhalten auf Asphalt eher mäßig. Der Roller neigt dazu sich aufzuschaukeln und Spurrinnen nachzulaufen, zudem vermitteln die hohen Reifenflanken in Kurven wenig Vertrauen. Durch das kurze Übersetzungsverhältnis beschleunigt er gut, erreicht aber nur knapp seine Höchstgeschwindigkeit von 50km/h und wirkt bei Topspeedfahrten ständig angestrengt. Auf Feldwegen oder im Gelände lebt der BW's dafür auf, seine kurze Übersetzung macht ihn zum Klettermaxen und die Stollenreifen greifen auch im Schlamm noch zuverlässig.

Ausstattung
Eigentlich könnte man das Ausstattungskapitel knapp mit „nicht vorhanden“ abhaken. Nach heutigen Maßstäben ist der BW’s tatsächlich extrem spartanisch. Bei ganz frühen Modellen vor 1990 fehlen sogar Blinker und Tachobeleuchtung, zudem war in einigen Märkten der elektrische Anlasser nicht an Bord. Immerhin bietet er, für diese Zeit nicht selbstverständlich, Getrenntschmierung und eine echte Tankuhr statt einer Warnlampe bzw. eines Reservehahns. Deutsche Modelle haben fast immer "Vollausstattung", BW's ohne Blinker und Anlasser kommen praktisch nicht vor und lassen sich mit etwas Recherche meist als Grauimporte aus Frankreich oder Italien entlarven. Für Tuner und Sammler sind diese Modelle aber besonders interessant.
Das Cockpit ist einfach aber ausreichend.
Heutige Rollerfahrer staunen dafür über den manuell zu bedienenden Choke. Zudem kamen die in Deutschland verkauften Varianten ab Werk immer mit einem Gepäckträger, denn dieser nimmt bei der deutschen Ausführung das Rücklicht und die hinteren Blinker auf. Die in die Karosserie integrierte Rückleuchte mit Blinkern der französischen und japanischen Modelle war damals in Deutschland nicht homologationstauglich. Erst die Faceliftmodelle der 2000er Jahre hatten dann die integrierte Leuchteneinheit.
Die "deutsche" Rücklichtkonstruktion wirkt aus heutiger Sicht kurios.
Gemessen an modernen Rollern fällt zudem das völlige Fehlen des Helmfachs auf. Beim BW’s finden sich unter der Sitzbank nur die Tanks für Treibstoff und Öl sowie die Batterie. Außerdem liegt die gesamte Fahrzeugelektronik in diesem Bereich. Eine gute Position bei einem Geländefahrzeug, denn hier ist sie vor Schmutz und Wasser geschützt, selbst bei Bachdurchfahrten.

Sowohl seitens Yamaha / MBK als auch von Drittherstellern wurde (und wird noch immer) stets ein reichhaltiges Sortiment an Zubehörteilen für das Fahrzeug angeboten. Dieses reicht von zusätzlichen Gepäckträgern und Wetterschutz bis hin zu einem unüberschaubaren Angebot von Tuningteilen. Aus diesem Grund stellt der BW's / Booster eine optimale Basis zum Aufbau eines individuellen Rollers dar. Das vielseitige Konzept erlaubt vom geländegängigen Nutzfahrzeug bis hin zum Racer eigentlich jeden Ansatz. Auch Rollertouristen schätzen den BW's, obwohl er durch seine geringe Größe und das fehlende Helmfach eigentlich nicht unbedingt als Basis für einen Tourenroller prädestiniert ist.

Fazit
Man kann das Urmodell der Baureihe CW50 heute aus verschiedenen Winkeln betrachten. Als kuriose Fußnote der Motorradgeschichte, als historisch bedeutsamen Oldtimer und als das was der BW’s / Booster schon immer am besten konnte: Als Spaßmobil. Hohe Alltagstauglichkeit, gemessen am Niveau moderner Roller, bietet er nicht, dafür ist er ein fähiger Geländegänger und robuster Nutzroller mit hohem Spaßpotential. Es ist ein Fahrzeug, an dem sowohl Rollersammler als auch Tuner ihre Freude haben können. Schade eigentlich, dass er hierzulande aus dem Straßenbild fast völlig verschwunden ist.

Ergänzend zu diesem Fahrzeugportrait gibt es ein Youtube-Video:
 

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