Schraubertipps: Scheibenbremse überholen

Moderne Roller haben fast ausnahmslos wenigstens eine Scheibenbremse, meist am Vorderrad. Dies ist hauptsächlich darin begründet, dass das Vorderrad den überwiegenden Teil der Bremslast des Fahrzeugs tragen muss und eine Scheibenbremse belastbarer ist als eine Trommelbremse. Zudem sind Scheibenbremse leichter zu überholen und benötigen weniger Wartung als Trommelbremsen.  Die reine Bremsleistung einer Scheibenbremse ist, entgegen der weit verbreiteten Meinung, nicht höher als die einer ähnlich dimensionierten Trommelbremse. Die Kühlung der Bremse ist jedoch erheblich besser, weshalb der Verlust an Bremsleitung durch Hitze (Fading) geringer ausfällt. Dies führt zu einer konstanteren Bremsleistung und zu geringerem Verschleiß.

In dieser Anleitung soll es jetzt darum gehen, wie die Scheibenbremse zu warten und ggf. zu überholen ist. Hierfür gilt, wie immer bei Arbeiten an sicherheitsrelevanten Fahrzeugteilen, dass man nur Arbeiten ausführen darf, bei denen man sich sicher. Fehler in diesem Bereich können sehr schnell sehr gefährlich werden! Darum sollte im Zweifelsfalle fachkundiger Rat hinzugezogen oder die Arbeit gleich einem Spezialisten überlassen werden!
Dies gilt inbesondere für einige moderne Roller mit ABS und Bremskraftverstärkung. Deren Bremssysteme können von Laien fast nicht gewartet und überholt werden. Hier ist in jedem Fall der Gang zu einer Fachwerkstatt notwendig. Diese Anleitung zielt ausdrücklich auf einfache Bremssysteme, wie sie bei vielen Fuffirollern und älteren Modellen in Gebrauch sind.

In dieser Anleitung wird immer wieder das Thema Bremsflüssigkeit angeschnitten werden, genaue Hinweise dazu finden sich in dieser Anleitung: https://rollerchaos.blogspot.de/2017/07/schraubertipps-bremsflussigkeit.html 
Die hier gezeigten Arbeiten werden exemplarisch an einer Vorderradbremse ausgeführt, denn diese ist die häuifgste Bauart. Hinterradscheibenbremsen sind jedoch sehr ähnlich aufgebaut, weshalb das hier gezeigte grundsätzlich auch für die Hinterradbremse gilt.

Bestandteile und Wirkunsweise:
Die Scheibenbremsanlage ist grundsätzlich ein Hydrauliksystem, bestehend aus Geberzylinder, Leitung und  Arbeitszylinder. Der Geberzylinder wird hier im Allgemeinen als Bremspumpe bezeichnet, der Arbeitszylinder als Bremssattel. 
Bremsteile am Vorderrad



Wird der Bremshebel am Lenker gezogen, baut die Bremspumpe Druck auf die Bremsflüssigkeit auf. Da sich Flüssigkeiten nicht verdichten lassen, weicht diese in Richtung des geringsten Widerstandes aus. Dies ist bei einem intakten (sprich dichten) Bremssystem der bewegliche Kolben im Bremssattel. Dieser rückt aus und presst den Bremsbelag gegen die Bremsscheibe. Die dabei entstehende Reibung wandelt die Bewegungsenergie des Fahrzeugs in Wärmeenergie um. Das Fahrezug wird abgebremst. 
Bauteile am Lenker
Wie auf dem Foto zu sehen, befindet sich direkt neben der Bremspumpe ein Ausgleichs- oder Vorratsbehälter für die Bremsflüssigkeit. Dies ist notwendig, da sich die Menge der Bremsflüssigkeit im System beständig verändert. Hauptsächlich durch den Verschleiß der Bremsbeläge und den dadurch langsam zunehmenden Rauminhalt der Leitung. Es ist daher notwendig, den Pegel der Bremsflüssigkeit regelmäßig zu prüfen! 

Augen auf beim Teilekauf!
Beim Kauf von Bremsenteilen ist unbedingt darauf zu achten, dass diese eine Zulassung (ABE oder Bauteilgutachten zur Eintragung) besitzen. Bei Originalteilen des Fahrzeugherstellers muss man am wenigsten beachten, Zubehörteile sollten über eine EG-ABE oder (besser) KBA-Nummer verfügen. Zudem ist es gut, wenn ein Gutachten in Papierform beiliegt. Zwar ist dieses heute nicht mehr zwingend vorgeschrieben, es ist jedoch ein Indiz für hochwertige Komponenten und kann zudem bei Begegnungen mit dem Gesetz hilfreich sein.
gedruckte ABE und KBA-Nummer einer Zubehörbremsscheibe
Vorsicht ist besonders bei Billigangeboten im Internet geboten. Oft werden hier überlagerte, minderwertige oder unzulässige Teile angeboten. Bremsscheiben können theoretisch unbegrenzt gelagert werden, Beläge, Flüssigkeit und Leitungen altern jedoch und sollten nur "frisch" verwendet werden. Insbesondere bei Bremsflüssigkeit ist dies wichtig. Es ist daher zu empfehlen, Bremsenteile im Fachhandel zu erwerben, der Mehrpreis kauft nicht nur bessere Qualität und Lebensdauer, sondern auch Sicherheit! Bei der Bremse hat sich manch einer schon buchstäblich totgespart! 

Bremsbeläge wechseln:
Die wohl häufigste Revisionsarbeit an Scheibenbremsen ist der Wechsel der Bremsbeläge. Hierbei zeigt sich ein weiterer Vorteil von Scheibenbremsen gegenüber Trommeln: Die enorme Servicefreundlichkeit. Wird sorgfältig und sauber gearbeitet sind hier keine Schwierigkeiten zu erwarten.
Bremsbelag (auch Bremsklotz genannt)
Grundsätzlich sollte vor Beginn dieser Arbeit der Bremssattel äußerliche gereinigt werden. Bremsstaub und Straßenschmutz können mit der Zeit eine betonartige Masse bilden, die nicht nur beim Arbeiten stört, sondern auch die Funktion der Bremse beeinträchtigen kann. Danach ist es bei manchen Rollern sinnvoll das Vorderrad auszubauen um leichter an den Bremssattel zu kommen. Bei anderen Modellen muss der Sattel vom Halter an der Gabel abgenommen werden. Dies sind modellspezifische Besonderheiten, je im Einzelfall beachtet werden müssen. Im Zweifel liefert das Werkstatthandbuch des jeweiligen Modellen normalerweise Hinweise hierzu.
Freigelegter Bremssattel, ohne Vorderrad, am Yamaha Neos. Diese Bauweise ist bei Rollern sehr verbreitet.
Generell gilt, dass nach dem herausnehmen des Vorderrades bzw. der Demontage der Bremsbeläge die Bremse nicht betätigt werden darf! Dadurch würden die Bremskolben unzulässig weit ausrücken, wobei sie beschädigt werden können. Im Extremfall können sie sogar aus dem Bremssattel herausfallen! 
Extremfall: So weit sollten Bremsbeläge nicht abgefahren werden!
Bei den meisten Bremssätteln werden die Beläge durch einen Haltestift und ein Sicherungsblech in Position gehalten. Der Haltestift ist üblicherweise mit einem Splint gesichert, es gibt jedoch auch Ausführungen die eingeschraubt werden. Nachdem der Haltestift entfernt wurde, können das Sicherungsblech und die Beläge normalerweise einfach aus dem Sattel heraugezogen werden.
Sicherungssplint ("Fliegenbein") auf dem Haltestift


Nachdem sie ausgebaut wurden, sollte man diese Kleinteile in einem geeigneten Gefäß mit etwas Bremsenreiniger einlegen. Dadurch lassen sie sich vor dem Einbau leicht säubern und mögliche Beschädigungen sind leichter sichtbar. Den Sicherungssplint sollte man erneuern, denn er kann mit der Zeit erlahmen. Zudem ist es jetzt an der Zeit, den Bremssattel zu reinigen. Hierzu gibt es im Fachhandel spezielle Bürsten mit Kunststoffborsten. Ein harter Lappen, der mit etwas Bremsenreiniger angefeuchtet wurde, tut es aber genauso. Auf keinen Fall sollte man mit Drahtbürsten oder Feilen arbeiten, denn dabei kann der Bremssattel sehr leicht beschädigt werden. 
 
Bevor die neuene Bremsbeläge eingebaut werden können, müsen die Bremskolben des Sattels zurückgesetzt werden. 
Zu diesem Zweck gibt es Spezialwerzeuge (Bremskolbenrücksteller), ein breiter Schraubenschlüssel tut es aber genauso. Hierbei ist nur darauf zu achten, dass die Kolben nicht verkantet werden dürfen. Lassen sie sich nicht zurückdrücken, sondern federn sofort wieder aus, ist wahrscheinlich der Pegel der Bremsflüssigkeit im Ausgleichsbehälter zu hoch. In diesem Fall muss die Bremsflüssigkeit abgelassen werden. Anschließend muss die Anlage natürlich neu befüllt und entlüftet werden. 
Zurückstellen der Bremskolben mit einem Schraubenschlüssel als Hebel
Beim Einbau der Bremsbeläge sollte deren Auflagefläche am Sattel dünn mit Keramikpaste bestrichen werden. Gleiches gilt auch für den Haltestift. Dies verhindert Quietschen und Festgammeln der Bremse. Werden neue Bremsbeläge auf eine gebrauchte Bremsscheibe gesetzt, müssen sich diese erst "einbremsen". Daher sollte man auf den ersten Kilometern nur vorsichtig bremsen und Vollbremsungen vermeiden.

Bremsscheibe wechseln:
Die Bremsscheibe selbst ist ein sehr langlebiges Bauteil, aber auch sie ist irgendwann verschlissen. Verschleiß zeigt sich hier durch Unterschreiten der Mindeststärke oder durch "Rubbeln" beim Bremsen, was eine verzogene Scheibe anzeigt. Die oft als Mangel empfundene Rillenbildung in der Scheibe (kreisförmig, nicht radial!) ist jedoch unkritisch. Radiale Verwerfungen oder gar Risse in der Scheibe sind allerdings nicht in Ordnung, treten jedoch nur äusserst selten auf.
Vorderrad mit Bremstrommel
Bei den meisten Rollern ist die Bremsscheibe direkt mit dem Vorderrad verschraubt. Es gibt jedoch auch Sonderfälle, bei denen die Bremsscheibe an der Radnabe befestigt ist. Dies ist bei Rollern mit Vorderradschwinge sowie bei hinteren Scheibenbremsen üblich. 
Radnabe mit Scheibenbremse
Bei diesen Bauformen muss zum Wechsel der Bremsscheibe die Radnabe ausgebaut werden. Auch dies ist modellabhängig und ggf. im Werkstatthandbuch erläutert. Die folgenden Arbeiten sind jedoch auch auf diese Bauformen übertragbar. 

Am ausgebauten Rad ist sofort ersichtlich, dass die Bremsscheibe mit mehreren Schrauben befestigt ist. Dies sind üblicherweise Innensechskantschrauben. Die Schwierigkeit liegt hier darin, dass diese über die Zeit fast immer festgegammelt sind. Es ist daher meist notwendig, mit großer Kraft zu arbeiten. Auch deshalb ist es empfehlenswert, die Schrauben bei jedem Wechsel der Bremsscheibe zu erneuern. Hierbei ist zu beachten, dass an dieser Stelle nur Schrauben von hoher Festigkeit (Klasse 8.8 oder höher) verwendet werden dürfen. Idealerweise greift man hier auf Originalteile des Fahrzeugherstellers zurück um sicher zu gehen. Baumarktware ist fast immer ungeeignet. 

Felge nach der Demontage der Bremsscheibe
Um die Schrauben zu lösen sollte kein normaler Innensechskantschlüssel verwendet werden. Besser ist ein entsprechender Aufsatz für die Umschaltknarre, der mit einem Knebel oder einer sehr robusten Knarre benutzt wird. Um die Gefahr des Ausreißens der Schraube zu reduzieren, setzt man zunächst nur den Aufsatz in den Schraubenkopf und gibt einige kräftige Hammerschläge darauf. Dadurch wird zum Einen der Aufsatz so fest wie möglich im Schraubenkopf platziert und zum Anderen die Schraube geprellt, wodurch sie sich leichter herausdrehen lässt.

Nachdem die Schrauben herausgenommen sind, werden die Gewindegänge und die Auflagefläche auf der Felge gerenigt und ggf. entrostet. Danach kann die neue Bremsscheibe montiert werden. Die Schrauben werden hierbei schrittweise auf das vom Fahrzeughersteller vorgegeben Drehmoment angezogen. Bevor das Rad wieder eingebaut wird, muss die Bremsscheibe mit Bremsenreniger gesäubert werden, denn die Scheiben sind, als Rostschutz, fast immer ab Werk leicht geölt. Zu einer neuen Scheibe gehören immer auch neue Beläge!






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